„Es wäre eine Chance gewesen“

NIDDA – (ihm). Der Parkplatz ist voll. Gleich beginnt im unmittelbar neben dem Stadtbad gelegenen Bürgerhaus die Stadtverordnetenversammlung, in der die SPD- Fraktion einen Bürgerentscheid zum Bau eines Ganzjahresbads beantragen wird. Ein sogenanntes Vertreterbegehren, das seit Anfang des Jahres gesetzlich möglich ist und bei einer Zwei-Drittel-Zustimmung des Parlaments einen Bürgerentscheid nach sich ziehen würde. Um es vorwegzunehmen: Die SPD scheiterte mit ihrem Vorhaben.

Noch hat die Stadtverordnetensitzung in Nidda nicht begonnen. Es ist 19.30 Uhr, das Freibad hat noch geöffnet. Bis 20 Uhr kann man dort zum Feierabendtarif Bahnen ziehen, so wie René Rausch aus Geiß-Nidda. „Alle zwei Tage bin ich hier“, schildert der 44-Jährige. Schwimmen sei wichtig, „das alte Hallenbad kann nicht bleiben, aber wenn das Freibad bliebe, wäre es gut“, sagt er. Nidda brauche eine Schwimmmöglichkeit, wobei Rausch auch einen Neubau in Ordnung fände.

Viele Besucher

Ein Thema, über das sich viele Menschen Gedanken machen, wie sich bei der Sitzung wieder zeigt, als es erneut um einen Bürgerentscheid geht. Die Besucherplätze sind voll, als Sozialdemokrat Stefan Knoche den Antrag der SPD vorträgt. „Die Stadtverordnetenversammlung beschließt die Durchführung eines Bürgerentscheids mit der Frage: ‚Soll in Nidda ein Ganzjahresbad gebaut werden?’“ Es gehe an dieser Stelle nicht um die Erörterung von Kosten, sondern einzig darum, die Einwohner angesichts einer so bedeutenden Angelegenheit entscheiden zu lassen. Zwar, so stellt Knoche klar, habe seine Fraktion das Bürgerbegehren in 2013 mit abgelehnt – aber nur, weil das Begehren gesetzlich unzulässig gewesen sei. Die Ergebnisse der anschließenden Bürgerbefragung durch die Stadt seien auslegungsfähig, da sie sich teilweise widersprächen. Doch über die Interpretation habe das Parlament nicht zu beschließen. Erst nach einem Bürgerentscheid, fährt Knoche fort, seien die finanziellen Auswirkungen zu prüfen. „Es spricht vieles dafür, dass uns in den nächsten 30 Jahren der Erhalt des Freibads mehr kosten würde, als der Neubau eines Ganzjahresbades.“

Jan-Philipp Repp sagt, dieser Antrag lasse ihn „mit dem Kopf schütteln“. Der Christdemokrat geht ebenfalls auf die Bürgerbefragung ein: „Deren Ergebnis kritisieren Sie bis heute, dabei hat sie eindeutige Ergebnisse gebracht.“ Die Mehrheit der Befragten wolle ein Ganzjahresbad, andererseits wolle eine Mehrheit auch keine Grundsteuererhöhung. Zudem würden 30 Prozent der Befragten das Bad „gar nicht“ benutzen wollen. Nach Ansicht von Repp macht die SPD mit ihrer Vorgehensweise eine Kehrtwende um 180 Grad. Die Einwohner „fröhlich“ zu fragen „Wollen Sie ein Ganzjahresbad?“, ohne gleichzeitig Hintergrundinfos zu geben, sei „nicht aufrichtig“. Vielmehr werde der Bürger „an der Nase herumgeführt“. Äußerungen, die Knoche als „unverschämt“ zurückweist.

Wie Bernd Schoeps (Bürger-Liste) ausführt, komme für seine Fraktion ein Vertreterbegehren nicht in Frage. „In dieser Stadtverordnetenversammlung sitzen 37 gewählte Vertreter der Bürgerschaft und diese haben in erster Linie zu entscheiden.“ Indes beschreibt Marcus Stadler (Grüne) die Standpunkte von SPD und CDU als gleichermaßen widersprüchlich, „es ist unerheblich, was Sie von der CDU oder SPD denken – sondern, was denkt der Bürger“? Interessant sei auch, wie die Bürger-Liste gegen den „Entscheid der Bürger“ stimme.

Karl-Heinz Haas (Linke) erklärt, den SPD-Antrag zu unterstützen, um eine demokratische Entscheidung für die Niddaer herbeizuführen. Knoche beantragt namentliche Abstimmung, doch vergeblich – der Antrag wird mit 14 zu 21 Stimmen abgelehnt.

Ein Teil der Zuhörer verlässt den Saal. „Es ist enttäuschend bis nicht verständlich“, sagt Pileas Müller, Trainer beim TV Nidda. Die Sache komme ihm wie Prinzipienreiterei vor, die Reden seien nicht aussagekräftig gewesen. „Wieso konnten sie nicht zustimmen?“ Es heiße, die Befragung sei nicht eindeutig gewesen, „das wäre eine Chance gewesen“. Alexander Kristen (DLRG) ist ebenso verärgert: „Es traut sich keiner, was Konkretes zu sagen. Wie beim Hallenbad – man drückt sich vor der Aussage.“ Jeder Einwohner habe sich „jahrelang informiert“ – die inhaltliche Basis sei gegeben.

Quelle: Kreis-Anzeiger