Wechselnde Mehrheiten möglich

ERST INTERNE BERATUNG Windkraft-Diskussion schlägt sich in Ergebnissen nieder / Bürger-Liste bereit, „Verantwortung zu übernehmen“

NIDDA – „Unsere Wähler machen gerne vom Kumulieren und Panaschieren Gebrauch“, hatte die SPD-Ortsvereins- und Fraktionsvorsitzende Christine Jäger am Sonntagabend nach Bekanntgabe des Trendergebnisses gesagt. Zu diesem Zeitpunkt sah es noch düster für Niddas Genossen aus. Jäger behielt aber Recht und freut sich nun, dass die SPD, zumindest was die Anzahl der Stimmen und das prozentuale Ergebnis angeht, doch wieder stärkste Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung wird. 31,3 Prozent wurden für sie ausgezählt. Das sind 0,5 Prozentpunkte mehr als die Bürger-Liste (BL), die auf 30,8 Prozent kommt. Das bedeutet, dass SPD und BL jeweils zwölf Mandate erhalten.

Zehn Sitze wird die CDU einnehmen, die gegenüber 2011 2,2 Prozentpunkte und einen Sitz verlor. Sie liegt bei 27,8 Prozent. Nur noch die Hälfte, nämlich zwei Mandate, haben die Bündnisgrünen, die von zehn auf 6,4 Prozent abrutschen. Ihr Ergebnis von vor fünf Jahren leicht verbessern, konnten dagegen die Linken. Sie kommen auf 3,7 Prozent. Das bringt allerdings keine Veränderung bei den Mandaten. Der auf Listenplatz eins gesetzte Ortsverbandsvorsitzende Karl-Heinz Haas wird auch in den nächsten fünf Jahren alleiniger Vertreter seiner Partei in der Stadtverordnetenversammlung sein.

Geringe Wahlbeteiligung

Über 30 Prozent – dem Ergebnis von 2011 – liegt die CDU in Bad Salzhausen, Eichelsdorf, Geiß-Nidda, Harb, Kohden, Michelnau, Stornfels, Ulfa und Unter-Widdersheim. Das schlechteste Resultat für die Christdemokraten gibt es mit nur 7,9 Prozent in Schwickartshausen.

Mit 37,7 Prozent gibt es in Ober-Schmitten das beste Resultat für die SPD. Über 30 Prozent erreichen die Genossen zudem in Nidda, Bad Salzhausen, Geiß-Nidda, Harb, Kohden, Michelnau, Ober-Widdersheim, Unter-Schmitten, Unter-Widdersheim und Wallernhausen. In Schwickartshausen und Fauerbach (13,4 beziehungsweise 13,6 Prozent) werden die wenigsten Stimmen registriert.

Die Grünen kommen diesmal lediglich in Geiß-Nidda auf ein zweistelliges Ergebnis. 1,5 Prozent in Borsdorf – 2011 waren es noch 10,3 Prozent – und 4,3 in Schwickartshausen (2011: 16,2) sind die Quittung dafür, dass sich die Grünen dort für die Ausweisung von Flächen für Windkraftanlagen stark gemacht haben. Die Windkraft-Diskussion scheint auch bei der Wahl der Linken eine Rolle gespielt zu haben, die in den meisten Stadtteilen Zugewinne verbuchen. In Borsdorf, Fauerbach, Schwickartshausen und Wallernhausen sieht dies aber anders aus. Dort verlieren sie Stimmen. Erwartungsgemäß vereint die BL in Borsdorf, Fauerbach, Schwickartshausen und Wallernhausen die meisten Stimmen auf sich. Aber auch in Ober-Lais, Stornfels und Unter-Schmitten liegt die Gruppierung vorne. Die FWG/FDP, die bislang einen Sitz in der Stadtverordnetenversammlung hatte, war nicht mehr angetreten. Weniger als die Hälfte der über 13 800 Wahlberechtigten machte vom demokratischen Recht Gebrauch. Die Beteiligung beträgt 47,8 Prozent.

Über Personalangelegenheiten, sprich Besetzung im Magistrat, der Ausschüsse oder Kommissionen, will noch niemand reden. Erst werde intern beraten, lautet die übereinstimmende Begründung.

Die SPD wolle zudem die Ergebnisse der Ortsbeiratswahlen abwarten und treffe sich erst am Donnerstag, um Schlüsse für die zukünftige Arbeit zu ziehen, erklärte Christine Jäger, die erleichtert ist, dass sich der Trend nicht fortsetzte. Angenehm überrascht ist sie vom Ergebnis in Kohden, hatten sie und ihre Mitstreiter doch befürchtet, dass sich der geplante Verkauf des dortigen Bürgerhauses negativ auswirkt. Dort verliert die SPD gegenüber 2011 3,5 Prozentpunkte. Dass in Borsdorf und Schwickartshausen die BL gute Ergebnisse einfährt, sei aufgrund der Windkraft-Diskussion zu erwarten gewesen. Besorgt ist Jäger über die Entwicklung in Wallernhausen – und dies nicht nur in politischer Hinsicht. Schließlich war der Stadtteil bei Wahlen viele Jahre eine feste Bank für die Sozialdemokraten. Jetzt verliert die SPD dort gegenüber 2011 über zehn Prozent. „Durch den Ort geht ein Riss“, sagt Jäger. Die Windkraft spalte die Bürger. Dabei bleibe das auch außerhalb der Dorfgrenzen viel beachtete Miteinander „auf der Strecke“.

Der bisherige Kooperationspartner der SPD, die Grünen, bringen gar eine Große Koalition für Nidda ins Spiel. Die Wahlversprechen der Bürger-Liste würden „den Zwängen der täglichen Realpolitik“ nicht standhalten. „Jetzt sind CDU und SPD am Zug“, sagt Grünen-Sprecher Marcus Stadler. „Die beiden Parteien müssen dieses Wahlergebnis als ernst gemeinten Auftrag vom Wähler und der Demokratie verstehen und sich zum Wohle Niddas zusammenraufen. Persönliche Befindlichkeiten sind jetzt fehl am Platze. Wenn sie es schaffen, ein Bündnis einzugehen, aber dennoch für gute Ideen von außen offen zu bleiben, kann dieses Wahlergebnis sogar noch ein gutes für Nidda werden.“

Obwohl die Grünen Stimmen und Sitze verlieren, sind sie mit dem Ergebnis zufrieden, denn es sei das Zweitbeste in der Geschichte der Partei in Nidda. „Zieht man den Fukushima-Effekt ab, sind wir weiter in einem positiven Wachstum und darin bestärkt, weiterzumachen. Wir werden jetzt dass tun, was wir am besten können: unsere Mandate dafür nutzen, um ökologisch- und gemeinwohlorientierte Sachpolitik für jetzt und kommende Generationen zu machen. Die Energiewende fängt ja gerade erst an“, so Stadler.

Da aktuell etablierte Parteien „anscheinend wenig trendy“ seien, ist die CDU mit dem Wahlergebnis durchaus zufrieden, wie die Fraktions- und stellvertretende Ortsverbandsvorsitzende Adelheid Spruck erklärt. „Es gibt keinen Grund zu jammern und zu klagen.“ Die CDU rechne wieder mit zwei Sitzen im Magistrat. Dies ergebe sich schon aus dem Hare-Niemeyer-Verfahren, das von den Kommunen angewandt werde. Die Sitzverteilung für CDU, SPD und Bürger-Liste sei eine „wunderbare Grundlage, um künftig freie Entscheidungen zu treffen“. Jetzt könnten sich bei Beschlüssen immer wieder andere Mehrheiten ergeben. Schließlich sei es der Sache wenig zuträglich, wegen Vereinbarungen Kompromisse zu schließen, von denen man nicht überzeugt sei.

Auch als „Einzelkämpfer“ will Karl-Heinz Haas die politischen Ziele seiner Partei zum „Wohl der Niddaer Bürger“ verfolgen. „Dass es nicht genügend Stimmen für einen zweiten Sitz gab, hat eventuell an den Nichtwählern unter unserem Klientel gelegen“, sagt er. Haas will sich dem sozialen Wohnungsbau in Nidda annehmen und hat diesbezüglich kürzlich dem Magistrat Vorschläge unterbreitet.

„Uns ist bewusst, dass die Wähler uns eine große Verantwortung anvertraut haben“, sagt Gerhard Stock, der Vorsitzende der Bürger-Liste. Man habe jetzt fünf Jahre gelernt und sei bereit, diese Verantwortung auch zu übernehmen – „egal in welcher Position“. Doch bevor Personalentscheidungen getroffen werden, berate man intern ausgiebig.

So gibt es in Kürze laut Fraktionsvorsitzendem Bernd Schoeps ein Treffen mit den bisherigen Stadtverordneten und dem Vorstand der Bürger-Liste. Danach werde in großer Runde – auch mit den Kandidaten, die nicht den Sprung in die Stadtverordentenversammlung schaffen – beraten. „Und natürlich werden wir unsere Mitglieder über die Entwicklungen auf dem Laufenden halten.“ Die Bürger-Liste sei zu Gesprächen nach allen Seiten offen. Auch für die nächsten fünf Jahre gelte, was man in der zu Ende gehenden Wahlperiode bereits praktiziert habe. „Wir entscheiden in der Sache“, betont Schoeps. Und: „Die Bürger-Liste wird den Willen der Wähler respektieren.“ Soll heißen, dass jene Kandidaten, die durch Kumulieren und Panaschieren auf der Liste nach vorne gewählt wurden, auch beim Nachrücken in dieser Reihenfolge berücksichtigt werden.

Quelle: Kreis-Anzeiger