„Diesen Handlungsspielraum hätte ich gerne“

VERSAMMLUNG Niddas SPD appelliert an Genossen von Bund, Land und Kreis

NIDDA – (ten). Die anhaltenden Finanzprobleme der Stadt Nidda und die Kommunalwahl 2016 bestimmten die Jahreshauptversammlung des SPD-Ortsvereins. In einer Resolution fordert die Partei mehr Solidarität der sozialdemokratischen Vertreter in Bund, Land und Kreis mit den Kommunen.

In ihrem Jahresbericht erinnerte die Vorsitzende Christine Jäger daran, wie sich die Situation der Stadt verschärft habe. Gründe seien die Schuldenbremse einerseits und die wachsenden Aufgaben, die von Bund und Land an die Stadt ohne ausreichende Gegenfinanzierung weitergegeben werden. „Wir sind das letzte Glied in der Kette“, klagte sie. „Wir haben nichts mehr zu verschenken, ganz im Gegenteil, wir müssen Liebgewonnenes veräußern.“

Es gelte, die Infrastruktur zu erhalten. „Wenn wir wieder etwas finanziellen Spielraum für eigene Projekte schaffen möchten, dann müssen wir erst einmal den Gürtel enger schnallen“, warb Jäger für Sparmaßnahmen. Die SPD müsse Verantwortung übernehmen und bei Einsparungen sowie den Erhöhungen von Gebühren und Gemeindesteuern mitmachen. In diesem Zusammenhang erwähnte die Parteivorsitzende auch die Möglichkeit, durch die Pacht für Windräder Einnahmen zu erzielen. Kefenrod sei ein gutes Beispiel. In Nidda laufe die Diskussion um die Windkraft sehr kontrovers.

„Wir als SPD-Fraktion haben klar gesagt, dass wir zum Neubau eines Ganzjahresbades stehen, wohlwissentlich, dass wir dies nur mit Erhöhungen der Hebesätze und Steuern schultern können“, betonte Jäger. Die Kombination aus Freibad und Hallenbadneubau sei notwendig, um die Attraktivität Niddas für Familien zu erhalten. „Wenn das Hallenbad einmal geschlossen ist, ohne einen Plan für den Neubau eines Ganzjahresbades, dann ist das Thema vorbei. Dann müssen wir uns mit dem Gedanken beschäftigen, die komplette Bäderlandschaft zu schließen“, mahnte sie.

Sie bedauerte, dass die Diskussion über die wiederkehrenden Straßenbeiträge zu Konflikten und dem Rücktritt Arthur Schneiders als Beisitzer geführt habe. Auch die Fraktion hätte sich eine andere Lösung gewünscht, jedoch habe die geänderte Landesgesetzgebung die Möglichkeiten begrenzt.

In ihrem Bericht schilderte Jäger, wie die Sozialstation erhalten und das bisherige jährliche Defizit reduziert werden konnte. Vor allem Altbürgermeister Helmut Jung habe sich dabei engagiert und gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen Lösungen erarbeitet. Jung erwähnte, dass er als Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO) nur über informelle Kanäle erfahren habe, dass die Sozialstation einem privaten Träger übergeben werden sollte. „Die Arbeiterwohlfahrt ist ein Kind der SPD, da sollte sich mancher mal dran erinnern“, sprach er die Tradition der Partei an. Die Umorganisation der Sozialstation hätte das Ende für viele Seniorenaktivitäten der AWO bedeutet. Denn diese seien zu großen Teilen über die Gewinne von „Essen auf Rädern“ finanziert worden. Es sei gelungen, in wenigen Tagen ein Sanierungskonzept für die Sozialstation mit Einsparungen von 100 000 Euro zu entwickeln.

Arthur Schneider aus Unter-Widdersheim begründete in der Aussprache, warum er dem Kompromiss zu den wiederkehrenden Straßenbeiträgen nicht zustimmen wollte. „Die Stadtverordnetenversammlung hat ein Verwaltungsmonster beschlossen“, erklärte er und kritisierte, „dass die Bürger jetzt nach zweierlei Recht zur Kasse gebeten werden.“ Das Engagement für die Gesetzesänderung, auf das Lisa Gnadl stolz war, sei ein Bärendienst für die Stadt gewesen. Für alle 18 Stadtteile müsse jeweils eine eigene Satzung beschlossen und alle fünf Jahre erneuert werden. „Wenn es gilt, für die Kernstadt eine Satzung zu beschließen, sehe ich auf die Stadtverordneten schwierige Zeiten zukommen“, prophezeite Schneider.

Er befürchtet, dass die SPD-Vertreter als stärkste Fraktion zunehmend für unpopuläre Entscheidungen abgestraft werden. Dagegen wandte er sich mit einem Resolutionsentwurf, in dem er forderte, dass die SPD-Stadtverordneten Vorschlägen, die Nidda unattraktiver machen, dadurch zu Einwohnerschwund und höheren Kosten führen, „ihre Zustimmung verweigern, auch wenn Restriktionen der Kommunalaufsicht drohen“.

Dieser „Teufelskreis“ müsse durchbrochen werden. Die Verweigerungshaltung gegenüber der Kommunalaufsicht wurde auf Hinweis der Antragsprüfungskommission gestrichen. Erhalten blieb der Appell an die SPD-Mandatsträger in Bundestag, -regierung, Landtag und Kommunalaufsicht, die Kommunen dabei zu unterstützen, aus ihrer Finanzmisere zu gelangen. „Die Entsolidarisierung auf den unterschiedlichen Amts- und Politikebenen muss ein Ende haben“, forderte die Mitgliederversammlung einstimmig.

Auch Helmut Jung plädierte dafür, nicht jede Zumutung an die Bürger mitzutragen. „Da würde ich mir lieber vom Staatskommissar diktieren lassen, was zu geschehen hat.“ Erster Stadtrat Reimund Becker widersprach dieser Auffassung. „Es war noch nie Sache der SPD, sich vorschreiben zu lassen, was zu tun ist.“ Ohnehin könnten die Entscheidungen des Staatskommissars kaum in sozialdemokratischem Interesse sein, da dieser von der CDU oder den Grünen gestellt werde.

Es gelte den Gestaltungsrahmen, sei er auch noch so klein, zu nutzen. Als Beispiel nannte Becker die defizitäre Stadtbücherei. Anstatt sie zu schließen, was mit der SPD nicht machbar sei, könne der Fehlbetrag auch durch ehrenamtliche Helfer reduziert werden. „Diesen Handlungsspielraum hätte ich gerne, auch wenn er nur ganz klein ist“, erklärte Becker. „Diesen Willen werden die Wähler erkennen und mittelfristig honorieren.“

Quelle: Kreis-Anzeiger