Der folgende Artikel ist im Kreis-Anzeiger nicht erschienen, deshalb haben wir ihn für Sie hier veröffentlicht.
Wetterauer Zeitung Nidda (en). Manche arbeiten für 3000 Euro einen Monat lang, andere sogar zwei. Die Wetterauer Kreistagsabgeordneten Daniel Lachmann und Stefan Jagsch (beide NPD) sind kurz nach Nidda gefahren, haben sich nötigen lassen und dürfen sich nun über je 1500 Euro »Schadenersatz für das rechtswidrige Verhalten« eines städtischen Mitarbeiters freuen, was der Wetterauer NPD-Vorstand stolz der Presse mitteilt.
Ort des Geschehens war laut dem stellvertretenden Ordnungsamtsleiter der Stadt, Uwe Bonarius, eine Veranstaltung der islamischen Ahmadiyya-Gemeinde im August 2008 im Bürgerhaus, zu der auch die beiden NPD-Vertreter Zutritt begehrten. Nach der Demonstration in Friedberg und Nidda kurz zuvor wollte die islamische Gemeinde mit der Veranstaltung ihren Unterstützern danken und sich mit einem Referat ihres Bundesvorsitzenden der interessierten Bevölkerung vorstellen. Dazu hatte sie über die Presse und auf Plakaten eingeladen.
Bonarius und der Erste Polizeihauptkommissar Gerhard Keller (Büdingen) waren auf das Auftauchen von NPD-Vertretern vorbereitet und hatten den Bundesvorsitzenden gefragt, wie er dazu stehe. Der hatte laut Bonarius klar gesagt, die Anwesenheit der NPD sei nicht erwünscht. Mit dieser Anweisung fingen die beiden die NPD-Gruppe vor dem Eingang des Bürgerhauses ab. Also machten Lachmann, Jagsch und mehrere Begleiter kehrt, doch schon Tage später kündigte die NPD eine rechtliche Prüfung des Vorgehens der Behördenvertreter an.
Das Verwaltungsgericht Gießen schlug sich im Juni 2009 auf die Seite der Kläger: Dem NPD-Duo habe der Zutritt nicht verwehrt werden dürfen, da die Veranstaltung öffentlich gewesen sei. Die Stadt Nidda verzichtete laut Uwe Bonarius darauf, Rechtsmittel einzulegen.
Das Problem sei die öffentliche Werbung für die Veranstaltung gewesen, in der der Kreis der Eingeladenen nicht ausdrücklich beschränkt worden sei, erläuterte Bonarius. Schon die Worte »NPD nicht erwünscht« hätten laut dem Vertreter der Stadt für Klarheit gesorgt, aber selbst ohne die habe es unter Juristen die Ansicht gegeben, dass die Formulierung, dass alle eingeladen waren, die sich mit der islamischen Gemeinde solidarisch erklärt hatten, ausgereicht hätten, die NPD auszugrenzen. Doch das Urteil fiel anders aus.
So gestärkt ging die NPD den nächsten Schritt. Vor einigen Monaten flatterte der Verwaltung ein Schreiben ins Rathaus: Lachmann und Jagsch zeigten Bonarius und Keller an und forderten von Bonarius »Schadenersatz« – oder auch »Schmerzensgeld«, wie es im nächsten Absatz der NPD-Pressemitteilung heißt.
Die Verwaltung leitete die Forderung an die Versicherung der Stadt weiter, die nun auch die geforderte Summe bezahlte, ohne erneut vor Gericht zu gehen. »Nach längerem Schriftverkehr über Monate hinweg«, wie die NPD betont. Aber ohne mit der Verwaltung noch einmal Rücksprache zu halten, wie Bonarius kritisch betont.
Im selben Schreiben verhöhnt Jagsch die Gegenseite: »Die NPD Wetterau freut sich über diese großzügige Spende, so dass eine Lautsprecheranlage angeschafft und eine finanzielle Rücklage für den anstehenden Kommunalwahlkampf gebildet werden kann.«
Die Klage gegen den Ersten Polizeihauptkommissar Keller ist nach Auskunft des Wetterauer Polizei-Pressprechers Jörg Reinemer ebenfalls entschieden: Nachdem das Verwaltungsgericht den Polizisten »freigesprochen« und die NPD daraufhin beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel Berufung eingelegt hatte, sei diese im Oktober 2009 abgelehnt worden.
Dritter Akt: Strafanzeige
Doch ausgestanden ist das Ganze damit nicht: Jetzt stellten Jagsch und Lachmann Strafanzeige gegen Bonarius und Keller wegen Nötigung.
Dazu schreibt die NPD wortwörtlich, dass »der Beschuldigte Keller nicht als Täter der Nötigung in Betracht kommen kann. Da er jedoch bewaffnet und mit Hinweis auf gewaltsame Durchsetzung durch die Polizei des (rechtswidrigen) Verwaltungsakts des Beschuldigten jedoch einen gemeinsamen Tatplan verfolgt, so ist das bloße bewaffnete Dabeistehen des Beschuldigten Keller ausreichend, seine Mittäterschaft zu begründen.«
Dass weder Keller noch Bonarius auch nur ansatzweise versucht hätten, »sich bei den Betroffenen zu entschuldigen oder das Fehlverhalten in sonstiger Form zu erklären« und auch »in keiner Weise Reue« zeigten, müsse »zum Nachteil der Beschuldigten berücksichtigt werden«.
Quelle: Wetterauer Zeitung